Am 21. September 1921 um 07:32 Uhr ereignete sich in Ludwigshafen Am Rhein das bis heute schwerste Unglück der chemischen Industrie.

Damals stellte die Badische Anilin- & Soda-Fabrik in Oppau Ammoniumsulfatnitrat her, ein Düngemittel und der Durchbruch der moderenen Landwirtschaft.
Um eben diesen Stoff zu herzustellen bedarf es einer Synthese von Ammoniak, diese ist seit 1911 in den Händen der BASF da Fritz Haber mit eben dieser Firma zusammenarbeitete. Die Ammoiniaksynthese nennt man auch „Haber-Bosch-Verfahren“ und war ein Durchbruch in der Chemie, da Ammoniak ein essentieller Stoff zur Herstellung von unteranderem Harnstoff und Düngemittel ist. Wie gesagt, der Durchbruch eben damals und ich erspare ihnen lieber lesende Personen sämtliche chemischen Details.

Um Ammoniumsulfatnitrat zu erhalten kann man Salpetersäure und Schwefelsäure mit Ammoniak reagieren lassen, in der BASF damals hat man aber Ammoniumsulfat und Ammoniumnitrat gemischt. Ammoniumsulfat ist ungefährlich, aber das Ammoniumnitrat ist ein Sprengstoff und wurde auch schon häufig für Attentate und Amokläufe verwendet.
Und wenn wir schon dabei sind, am 04. August 2020 explodierten 2750 Tonnen im Hafen von Beirut.

Das Ammoniumsulfatnitrat verklumpt sehr schnell und deswegen machte man Lockerungssprengungen, das waren kleine Sprengungen, da ein mechanischer Abbau unmöglich war. An diesem Morgen hat man eben eine solche Lockerungssprengung gemacht. Einen genauen hergang weiß man nicht.

Die Außmaße dieser Explosion sind aber bekannt:
Ein Krater 165 Meter lang, 95 Meter breit, 18,5 Meter tief.
Mindestens 559 Tote und vermisste, 1977 verletzte.
Innerhalb von 600 Meter wurden fast alle Gebäude dem Erdboden gleichgemacht.
300 Meter weiter schwerste Beschädigungen. Innerhalb von 1,5 Kilometern gab es weitere schwere Beschädigungen an Gebäuden.
Im Wormser Dom in 13 Kilometer Entfernung sind alle mittelalterlichen Buntglasfenster zerstört worden.
In Heidelberg 25 Kilometer entfernt sind Dächer abgedeckt worden und Straßenbahnen entgleist.
Weitere Gebäudeschäden traten auch in 75 Kilometer Entfernung auf.
Die Erschütterung konnte man auch in Frankfurt am Main und Mainz spüren.
Bis nach München, Zürich und Göppingen hat man den Knall hören können.

Sofort kamen Rettungsdienste zur Hilfe, auch die Französischen Besatzungstruppen halfen bei den Bergungsarbeiten, sowie bei der Hilfe der Verletzten und Obdachlosen. Weiter hilfe, in Form von Sach und Geldspenden kamen aus der ganzen Republik und auch aus dem Ausland.
Damals wie heute bei der Überflutung in Nordrheinwestfalen und Rheinland-Pfalz ist die Hilfe sofort und kompromisslos zur Stelle.

In ausländischen Medien munkelten einige davon dass die Deutschen wieder an Waffen und Sprengstoffen herum experimentierten, was aber schnell von den Besatzern und deren Geheimdiensten dementiert wurde da man es besser wusste.

[…] es liegt nahe zu vermuten, dass es geheime Experimente in der Oppauer Fabrik gab, die, wie man sich erinnert, das meiste Chlor und Phosgen herstellte, das von den Deutschen in den Gasangriffen während des Krieges verwendet wurde. Die Beweislast sollte bei der Badischen Fabrik liegen aufzuzeigen, dass die Forschungen und Energien auf eine friedliche Industrie beschränkt sind. […] aber wenn allseits bekannt ist, dass es eine reuelose und rachsüchtige militärische Gruppe in Deutschland gibt, die nach einem weiteren Krieg strebt, um ihre verderbliche Macht wieder zu erlangen, und wenn die Welt glaubt, dass diese gefährlichen Reaktionäre die Entwicklung eines Vernichtungsgases von enormer Stärke durch ihre Chemiker begrüßen würden, dann ist es durchaus vorstellbar, dass das Desaster von Oppau durch geheime Experimente dieser Chemiker verursacht wurde.“
-New York Times 1921 [https://timesmachine.nytimes.com/timesmachine/1921/10/31/98763639.pdf]

Selbst in den 1960er schrieb eine australische Zeitung noch dass die Stadt Oppau wegen einer Explosion in einem Waffenlager vernichtet wurde. Fake news, damals wie heute.

Bis heute gedenkt die BASF an dieses Unglück mit dem Straßennamen im Werk „Trichterstraße“ wo bis heute noch Düngermittel hergestellt werden. Mehrere Friedhöfe in der Umgebung haben ein Gedenkstein für die Opfer der Explosion.

Eigene Meinung:
Die chemische Industrie gilt bis heute noch für viele als sehr gefährlich, dem stimme ich als Chemikant auch zu.
Aber die Chemie ist nur dann gefährlich wenn wir ungewiss, blind und leichtsinnig mir ihr umgehen. Sobald man mit ihr richtig und sicher umgeht, ist Chemie etwas tolles.

Filmtipp: „Der große Knall – Die BASF-Katastrophe von 1921“ vom SWR